Alte Pumpstation in Haan

Ein 133 Jahre altes Zwischenpumpwerk ist aufwendig kernsaniert worden. Heute bietet das Industriedenkmal in Haan unter anderem ein modernes Ambiente in alten Werkstatträumen für Architekten und Ingenieure sowie ein offenes Forum für Kunst und Kultur.

 

Historie

Die Alte Pumpstation Haan war 1878/79 im Auftrag der Stadt Elberfeld durch die Bauunternehmer Stuffmann; Haan, und Georg Ollig, Benrath, unter der Oberbauleitung von Valentin Schneider in typischer Gründerzeitqualität erbaut worden. Als Bestandteil der Wuppertaler Wasserversorgung ging sie 1879 in Betrieb, seit 1894 war auch die Gemeinde Haan angeschlossen. Die Lösung, das Trinkwasser aus dem Uferfiltrat des Rheins über eine rund 17 km lange Rohrleitung von Benrath zum Erdbehälter in Bolthausen (Vohwinkel) hochzupumpen, gilt als geschichtliche Besonderheit, nicht zuletzt, weil hier ein Höhenunterschied von 166 m zu überwinden war. Die Pumpstation Haan war die Zwischenstation, um das Wasser weitere 107 m bergauf zu pumpen. Ein Kesselhaus versorgte die Pumpen mit Dampf. Als elektrische Kreiselpumpen die Dampfmaschinen ersetzten, wurde der Betrieb auf Strom umgestellt. Kesselhaus und Kühlturm wurden in den 1930er-Jahren abgerissen. In den letzten Jahren ihres Betriebes wurde die Pumpstation nur noch zur Notversorgung vorgehalten, bis der gesamte Leitungsbetrieb sowie der Betrieb der Pumpstation Haan im Jahre 1986 eingestellt wurden.

Im Februar 1986 wurde die Pumpstation in die Haaner Denkmalliste aufgenommen. Der eingeschossige Backsteinbau weist im Ansatz eine künstlerisch bedeutsame und zeitgeschichtlich nachvollziehbare Architektur des 19. Jahrhunderts aus. Charakteristisch sind die fast ornamentlosen Backsteinmauern, die als reliefartige Rahmung hervortretenden Pfeiler, vertiefte Wandflächen und die großen unterteilten Stichbogenfenster. Das konstruktiv ungewöhnlich flache Tonnendach mit freitragenden genieteten Stahlgitterträgern überspannt eine Breite von fast 20 Metern. Hier dominiert ein Brückenkran mit einer Hakenlast von 5 Tonnen in Brücke und Katze, der die gesamte Hallenbreite überspannt und heute noch voll funktionsfähig

Sanierung in acht Monaten

Nach Jahren des Leerstandes befand sich das Gebäude vor der Sanierung in einem extrem schlechten Zustand. Im Laufe der letzten Jahre ohne Nutzung und Pflege waren starke Wasserschäden in Dachstuhl und Mauerwerk entstanden. Der Dachstuhl drohte bei Schneelast einzustürzen. Die Tonnendecke mit ihren genieteten Dachbindern war verrottet und das bis zu 80 cm dicke Ziegelmauerwerk in Teilen stark versottet. Das Gebäude war unbeheizt und stark durchfeuchtet. Alle Fenster waren durch Vandalismus zerstört. Im Jahre 2010 kaufte die BMFS GmbH & Co. KG , deren vier Gesellschafter Architekt, Stadt-, Erschließungs- und TGA-Planer sind, das Gebäude. Architekt Jochen Siebel hatte die Vision einer nachhaltigen Nutzung als Haus der Architekten und Ingenieure. Nach einjähriger umfangreicher Planung und Abstimmung durch das Architekturbüro Ingenieurplan Siebel mit der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Haan und dem Landeskonservator des Landschaftsverbandes Rheinland wurde nach drei Monaten die Baugenehmigung durch die Stadt Haan erteilt. In einem detaillierten Planungsprozess wurden alle baulichen Maßnahmen durch den Architekten Jochen Siebel mit den entsprechenden Ämtern abgestimmt und beschrieben. Die Sanierungs- und Revitalisierungsarbeiten begannen im Dezember 2010 unter der Bauleitung und Projektsteuerung des Architekturbüro IP Siebel. Nach achtmonatiger Bauzeit waren die Arbeiten im Juli 2011 abgeschlossen.

Nutzung

Der verfallene Sozialtrakt mit den ehemaligen Nebenräumen wurde kernsaniert, durch zwei Geschosse ergänzt und zu Büroflächen umgebaut. Der Bürotrakt mit einer Gesamtfläche von 1.000 m² wurde einschließlich der gesamten Haustechnik als autarkes Gebäude in die Ziegelsteinhülle des alten Baukörpers eingestellt. Lediglich die Außenwände blieben unbearbeitet. Die gewonnenen Flächen bieten heute rund 60 Mitarbeitern von Architektur-, Stadt-, Landschafts-, Tiefbau- und TGA-Planern ein großzügiges Arbeitsambiente

Architektur

Neue, roh belassene Betonoberflächen prägen auch heute den Industriecharakter. Alle Trennwände zu Fluren wurden transparent ausgebildet. Großflächige Glaswände ermöglichen den Nutzern die Kommunikation untereinander und die Sichtverbindung im gesamten Bürobereich zum alten Pumpensaal. Bei allen planerischen Ansätzen und deren späterer Ausführung legte Architekt Jochen Siebel großen Wert darauf, den Charakter des Industriedenkmals zu bewahren. Die Innenwandflächen der Ziegelsteinwände wurden lediglich mittels Drahtbürsten vom losen Putz befreit und mittels Verkieselung verfestigt. Die Wandflächen mit ihrer 130 Jahre alten Patina bilden heute reliefartige Kunstwerke, die den Charakter des Denkmals mitprägen.

Alle alten Abbruchmaterialien, insbesondere altes Mauerwerk und Metallteile, wurden wiederverwertet und in den Ausbau integriert. Alte Räume, wie die Transformatorenzellen, wurden umgenutzt: als Toilettenräume, Catering-Küche und Anlieferung. Der ehemalige Pumpensaal mit dem hochwertigen Mosaikfliesenboden und umlaufendem Gang blieb komplett erhalten. Eine der drei alten KSB Pumpenanlagen mit Siemens Motoren aus den 30-er Jahren steht im verglasten Windfang des Entrees. Der alte Pumpensaal bietet Platz für Kunst und Kultur, Ausstellungen und Veranstaltungen. Die neue Nutzung erlaubt auch der Öffentlichkeit, die Industriekultur und ihre Geschichte mit dem Bezug zur Zeit der Industrialisierung zu erleben.

Technik heute: Mit Wasser beheizt

Das Gebäude wird heute mit Wasser beheizt und gekühlt. Ähnlich der Geothermie wird dem Wasser die Energie entzogen und über eine Wärmepumpe in die Fußbodenheizung gespeist. Der unterirdische Wasserbehälter dient als Pufferspeicher und wird über einen außenliegenden Absorberzaun mit Energie versorgt. Im Frühjahr wird durch konstanten Energieentzug das Wasser vereist. In den Sommermonaten wird der Eisspeicher zur Kühlung über die Wärmepumpe genutzt. Eine Lüftungsanlage versorgt alle Räume mit Frischluft. Der in den Büroräumen verbaute Klimaboden ist eine Weiterentwicklung der konventionellen Fußbodenheizung. Über die vor den Fenstern liegenden Lüftungsschlitze strömt erwärmte oder gekühlte Luft kontrolliert in die Büroräume. In der Fußbodenheizung eingebaute Lüftungsfelder bringen die notwendige Temperatur in das Lüftungssystem. Es ermöglicht die Funktionen Heizen-Kühlen-Lüften.

Mit dieser Haustechnik konnten die bauphysikalischen Anforderungen der EnEV an ein modernes Gebäude umgesetzt werden. Auf aufwendige Wanddämmungen wurde verzichtet, die dicken Wandstärken des Ziegelmauerwerks haben überzeugende Dämmwerte. Die Wände- sowohl innen als auch außen- mit ihren lebhaften Strukturen sind erhalten geblieben. Dies war eine Forderung des Denkmalschutzes. Ein Vorteil des Lüftungskonzeptes zeigte sich auch im Abtrocknungsprozess der versotteten Außenwände. Die Feuchtigkeit konnte innerhalb der ersten drei Monate nach Inbetriebnahme von Heizung und Lüftung abdiffundieren. Die kontrollierte Lüftung sorgt für eine gleichbleibende hohe Qualität des Raumklimas. Die vorliegenden Verbrauchskosten halten dem Vergleich der Verbrauchskosten eines Neubaus nach EnEV-Standard stand. Die Heizkosten liegen unter 0,50 Cent/m². Energie- und CO 2 -Einsparung mit niedrigen Nebenkosten sind das Ergebnis der Nutzung der regenerativen Energie. Die Auszeichnung mit dem RWE Innovationspreis Wärmepumpe 2012 bestätigt das Konzept.

Abbildung

Jochen Siebel

Fakten

Revitalisierung eines Industriedenkmals

Baujahr:
1879/2011

 

Architekt

IP Siebel
Zur Pumpstation 1
42781 Haan

www.ip-siebel.com

Adresse / Lageplan