Wupperbrücke in Leverkusen

Im Rahmen der Regionale 2010, die sich mit dem Programm „Wupper-Wandel“ der sanften Renaturierung und Transformation des unteren Flusslaufs zum Naherholungsraum verschrieben hat, sollten die Architekten eine neue Fußgängerbrücke entwerfen.

Und immer schaut der Fischreiher zu … Es ist schon ein idyllisches Fleckchen, diese Flussauenlandschaft, die am Rande der Opladener Altstadt vor sich hin träumt. Vis-à-vis einer 1930er-Jahre-Wohnsiedlung, deren Walmdächer und walmdachbekrönte Carports unbekümmerte Vorstadtgemütlichkeit ausstrahlen, breiten sich zwei Fischteiche aus, die von langen Natursteinmauern gesäumt werden. Geradezu malerisch bilden sie den Vordergrund für den Flusslauf der Wupper, die ihre letzten Kilometer vor der Rheinmündung in gemächlichen Zügen auskostet. Ein Ort der Ruhe und Muße mit Spielplatz, Liegewiese und zwei Fußgängerbrücken. Fast schnurgrade auf einer Achse angeordnet, führen sie über das Wasser, in einen Treppensteig mündend, den der bergisch-rheinische Volksmund etwas kühn „Himmelsleiter“ getauft hat. Der Zahn der Zeit nagte schon des Längerem an dem Ensemble: Altersschwäche wurde gar den beiden Brücken attestiert. Während sich die massige 1930er-Jahre-Gewölbe-Brücke zwischen den Karpfenteichen gerade noch sanieren ließ, musste der eher funktional gehaltene Nachbar aus den Fünfzigern komplett das Feld räumen.

Architektur

Wer heute dem Weg entlang der Wupper und der Teichanlage folgt, der meint zunächst einmal, keine so rechte Brücke zu entdecken. Die in einem warmen Rotbraun korrodierten Hohlkästen aus wetterfestem Stahl, die die Brüstungen der Brückenrampen ausbilden und mit einem Auflager-Fuß aus dem gleichen Material fest verschweißt sind, könnten ebenso auch minimalistische Skulpturen eines Richard Serra oder Donald Judd sein. Sobald sich Passanten über die Rampe bewegen, muss selbst der stoische Fischreiher etwas den Kopf recken: Wäre das jetzt nicht der Moment, wo sich der Rampenkörper wie bei einer Spielplatz-Wippe leicht nach unten senken müsste, und sei es auch nur für einige Zentimeter? Tatsächlich ist das Auflager, auf dem die zum Wasser hin leicht ansteigende Brückenrampe ruht, nicht etwa mittig, sondern asymmetrisch versetzt angeordnet. Die genaue Position wurde mathematisch exakt nach den Gesetzen des Goldenen Schnitts bestimmt. Auf überzeugende Weise schafft das den Eindruck eines harmonischen, aber auch in sich fragilen Gleichgewichts – natürlich nur im Spiel der Wahrnehmung. Nicht nur der monumentale Fuß, sondern auch zwei zusätzlich im Erdboden verborgene Auflager haben das Bauwerk fest im Griff.So schwer und massiv die beiden skulpturalen Rampen wirken, so leicht und transparent erscheint dagegen der Mittelteil der Brücke. Stahlnetze sind ihm als Brüstungen an die Flanken gespannt; Gitterroste bedecken seine Laufbahn. Erst hier (und nicht etwa schon auf den Rampen) soll die fokussierte Sicht über den Fluss freigegeben werden und das Gefühl entstehen, direkt über dem Wasser zu stehen. Stehen ist gut, sitzen noch besser, dachten sich die Architekten: Aus einem Denken innerer Notwendigkeit heraus haben sie den tragenden Brückenbalken so integriert, dass er, umseitig mit Hartholz beplankt, zur flexiblen Parkbank wird. Man kann dort konzentriert dem Fluss lauschen, verträumt in der Sonne liegen, aber auch gemeinsam picknicken, ohne dem kreuzenden Passantenstrom in die Quere zu kommen. Mit über vier Metern ist die Furt breit genug, um selbst Radfahrer problemlos passieren zu lassen. Auch Stöckelschuhe und Vierbeiner geraten auf den feinmaschigen Gitterrosten nicht aus der Balance – nur Reitpferde sind ausdrücklich nicht erlaubt, der Statik halber.Wie sehr die neue Wupperbrücke binnen eines Jahres zu einem Ort für vielerlei Lebenslagen geworden ist, mag man an den ersten Herzens-Schlössern ablesen, die an das Brüstungsnetz angedockt haben. Die romantischen Aussichten werden abends und nachts durch eine passende Beleuchtung zusätzlich untermalt: Leuchtstoffröhren, die unterhalb der Fußbodengitter in den Brückenträger integriert wurden, spenden sanftes Bodenlicht. Auch aus der Distanz ergibt das ein atmosphärisches Bild. Als ein ephemerer Leuchtkörper scheint die Brücke aus sich selbst heraus zu leuchten und wie ein etwas rätselhaftes Riesenglühwürmchen über dem Wasser zu schweben. Bei Tageslicht sind es die Passanten, die den ästhetischen Schwebecharakter des Bauwerks unterstreichen: Schemenhaft und merkwürdig bodenlos wirken sie, so wie die Darsteller eines japanischen No–Theaterspiels. In ihren unterschiedlichen Schrittrhythmen und Bewegungsgeschwindigkeiten zeigen sie zugleich aber auch ganz individuelle Züge. Beiläufig offenbart sich in dieser abstrahierten Momentaufnahme etwas von der Poesie des menschlichen Alltags – nicht nur der Fischreiher schaut gerne dabei zu.

Auszeichnungen

Auszeichnung guter Bauten 2014 des BDA Bergisch-Land, Anerkennung

Fakten

Neubau der Fußgängerbrücke im Rahmen des „Wupper-Wandels“

Baujahr:
2010

Architekt

ErcanAğırbaşFriends
Architect ETH, Urban Planner
Crangerstraße 198
45891 Gelsenkirchen

Wienstroer Architekten Stadtplaner
Tiberiusstraße 8
41468 Neuss

www.aw-architektur.de

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